Stellen Sie sich eine Verkäuferin in einem überschaubaren, vielleicht 70qm großen Stoffgeschäft vor. Alle Stoffballen sind nach Qualität und Farben sortiert und akkurat ausgerichtet. Ich habe einen Plan: Für mindestens eines von 7 denkbaren Projekten eine bestimmte Stoffqualität in einer bestimmten Farbe kaufen. Uni, kein Schwarz. Parkplatzbedingt in nicht mehr als 30min. Ambitioniert, aber umsetzbar …
Mit mir betritt eine feine alte Dame mit Gehhilfe und französischem Akzent das Geschäft. Auf unser „Guten Tag“ folgt absolutes Schweigen. Wir verteilen uns im Laden. Die Verkäuferin wendet sich ab. Schweigen.
Die andere Kundin nähert sich mühsam, aber aufrecht der Verkäuferin und fragt nach reinem Wollstoff für Jacken.
Verkäuferin ruckt weiter an bereits ausgerichteten Stoffballen.
Wiederholung der Frage. Verkäuferin geht weg. Stille im Geschäft. Die Dame folgt zögernd zwei Schritte. Verkäuferin bückt sich nach unten und sagt mit scharfer Stimme
„Haben wir nicht! Vielleicht im Januar. Müssen Sie anrufen.“
Und was ist mit Doubleface?
„Nein. Müssen Sie anrufen.“ *ungeduldig*
Und wann käme eine neue Stofflieferung?
„Weiß ich nicht. Müssen Sie anrufen“. *sehr ungeduldig*
Auftritt neue Kundin. Sie nimmt eine Garnrolle vom Angebotstisch, geht zur Kasse. Und wartet. Zählt schon einmal Geld aus dem Geldbeutel. Und wartet. Währenddessen betrachten die Dame und ich die Stoffballen, die Verkäuferin geht mit größtmöglichem Abstand zu jeder von uns im Laden umher. Nach mindestens 6min bewegt sich die Verkäuferin zur Kasse (Noch 21min Zeit zum Stoffkauf! Ich fixiere die Wäschestoffe.)
Aus den Augenwinkeln sehe ich eine neue Kundin direkt zur Kasse gehen, während die Vorherige noch auf ihr Wechselgeld wartet. Außer dem Klingeln der Kasse ist nichts zu hören. Die Verkäuferin steckt jetzt fest: Sonst im größtmöglichen Abstand zu Kunden, kann sie die Kasse nur verlassen, indem sie die neue Kundin wegschubst. Nach ihrem ersten Schritt in diese Richtung sagt die Kundin:
Heute brauche ich nur dieses Stück. Ich war lange nicht mehr da – es ist schlimm, so viel beruflicher Stress und so viele Sorgen zu Hause.
„Schön zu hören. Acht Euro zwanzig.“
Stille. Kundin schluckt, bezahlt trotzdem, Abgang aller anderen Kundinnen. Ich habe immer noch meinen Plan (Ich! Will! Ein! Weihnachtsprojekt! Nähen!), inzwischen drei zu kombinierende Stoffe im Blick. Gut, dass ich heute keine Beratung brauche. Gerade überlege ich, welchen Ballen ich zu welchem anderen Tisch bringe, um die Stoffe zusammen zu sehen, da:
Auftritt zwei neuer Kundinnen. Steuern gezielt auf die teuersten Stoffe in der hintersten unteren Ecke zu. Eine zieht einen Ballen aus dem Regal und will ihrer Freundin diesen zeigen. Was macht man da? Richtig, den Ballen ablegen und etwas ausrollen, vielleicht mal vorhalten. Plötzlich kommt Bewegung in die Verkäuferin, pfeilschnell eilt sie auf die Frauen zu und ruft dabei schneidend:
„Nein, hier legen Sie keine Stoffballen auf Stofftische, und ausgerollt wird erst recht nicht – Sie sind hier nicht zu Hause, wie sieht das denn aus!“
Ich habe weiterhin keinen Stoff für den WKSA.
Und eine Stoffladen-Blacklist.